Aufsichtsanzeige gegen die Einwohnergemeinde Muri b. Bern: Einleitung von Abwässern in die Aare entspricht der aktuellen Schweizer Praxis

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Abwasser

Die Einleitung von Mischwasser in Gewässer entspricht dem Stand der Technik und geschieht mit kantonaler Genehmigung. Ohne diese Entlastungen würde es bei Starkniederschlägen regelmässig zu lokalen Überschwemmungen kommen. Im Einzugsgebiet der ara region bern ag befinden sich über zweihundert solcher Entlastungsleitungen, drei davon in der Gemeinde Muri bei Bern. Die kürzlich eingereichte Aufsichtsanzeige richtet sich pauschal gegen die heutige Schweizer Praxis.

In der Tagespresse wurde über die Entlastung von Regen- und Abwasser in die Aare in der Gemeinde Muri bei Bern und über eine entsprechende Aufsichtsanzeige berichtet. Mittlerweile liegt der Gemeinde eine Kopie dieser Anzeige vor.

Die Situation in der Region Bern

In den Einzugsgebieten von Abwasserreinigungsanlagen befinden sich Entlastungsleitungen, so auch im Einzugsgebiet der ara region bern ag. Jede Gemeinde an der Aare verfügt über solche Einleitstellen. Im Fachjargon werden die Leitungen als Sonderbauwerke bezeichnet und dienen zur Entlastung von Mischabwasser bei Regenereignissen; dies entspricht dem Stand der Technik.

«Mischabwasserentlastungen sind notwendig. Die Alternative wäre, dass die Kanalisation bei Regenereignissen rückstaut, überläuft und schlimmstenfalls auch Keller überflutet würden», erklärt Adrian Schuler, Geschäftsführer der ara region bern ag.

Planung, Ausbau und Betrieb der Abwasserinfrastruktur basieren auf dem regionalen GEP (Generelle Entwässerungsplanung). Genehmigt wird der regionale GEP vom kantonalen Amt für Wasser und Abfall. Wie viel Wasser in die Aare entlastet wird, hängt sehr stark von den Niederschlagsmengen ab. Massgebend sind auch die unter den Gemeinden vereinbarten und im regionalen GEP festgehaltenen Weiterleitungsmengen.

Die Anlagen in der Gemeinde Muri bei Bern

Das Abwassersystem in der Gemeinde Muri b. Bern ist – wie überall – historisch gewachsen. Anlagen und Betrieb entsprechen dem aktuellen Stand der Technik und das System wird vom Kanton periodisch überprüft und genehmigt. Die Gemeinde weist den Vorwurf, in Muri laufe etwas "falsch", entschieden zurück. Seit 1. Januar 1998 kümmern sich die damals neu gegründeten Gemeindebetriebe Muri (gbm) im Auftrag der Gemeinde um die Bereiche Wasser und Abwasser.

Von den mehr als zweihundert relevanten Entlastungsleitungen im Einzugsgebiet der ara region bern ag befinden sich drei auf Muriger Boden. Die grösste Leitung im Bodenacher ist mit einem Regenüberlaufbecken gekoppelt und mit einem Siebrechen ausgestattet, welcher feste Gegenstände zurückhält. Im regionalen Vergleich gehört der Auslass im Bodenacher bezüglich Häufigkeit und entlastete Wassermenge nicht zu den Spitzenreitern.

Richtig ist, dass es regelmässig zu Entlastungen kommt. Die stark verschmutzten ersten Niederschlagsmengen können via Kanalisationsnetz an die ara abgegeben werden. Bei den nachfolgenden Mengen gibt es einen Rückstau und das leicht verschmutzte Regenwasser wird in die Aare entlastet. Bei der Entlastung ist das “normale” Abwasser 100-fach mit Regenwasser verdünnt.

Bei den meisten Entlastungsleitungen liegt der Auslass unter der Wasseroberfläche und ist meist nicht sichtbar. Im Bodenacher liegt die Mündung der Entlastungsleitung aus topografischen Gründen jedoch vergleichsweise hoch. Entsprechend springt das Bauwerk ins Auge und die Einleitung des Überlaufwassers kann gut beobachtet werden. Es kann zudem vorkommen, dass bei einem kurzen, heftigen Gewitter im Moment der zeitverzögerten Entlastung bereits wieder die Sonne scheint. So am vergangenen 1. August. Zu bedenken ist auch, dass das entlastete Regenwasser oft aufgrund von Bodenausschwemmungen braun gefärbt ist. Die Farbe ist somit kein zuverlässiger Indikator für den Grad der Verschmutzung.

Das Regenüberlaufbecken aus den 70er Jahren wurde gemäss den damaligen Vorgaben erstellt und von den kantonalen Behörden – obwohl die Vorgaben zwischenzeitlich geändert wurden – mehrmals geprüft und für gut befunden. Letztmals 2019 anlässlich der Planung des Wirbelfallschachts an der Pourtalèsstrasse. Die Gemeindebetriebe planen zur Zeit keinen Ausbau, zumal das Becken in einer Naturschutzzone steht. Statt mit einer Vergrösserung des Beckens die Symptome zu bekämpfen, will die Gemeinde bei der laufenden Überarbeitung der Entwässerungsplanung die Ursachen angehen.

Lösungen für die Zukunft

«Wir spüren bereits heute die Auswirkungen des Klimawandels und müssen reagieren», meint André Schneider, Geschäftsleiter der Gemeindebetriebe Muri. «Konkret testen wir Massnahmen, mit denen der Eintrag von Regenwassermenge in die Kanalisation verringert werden kann». Dies entspricht dem schweizweit diskutierten Ansatz einer "Schwammstadt" und dient nicht zuletzt auch dem Schutz der natürlichen Wasserkreisläufe. Gemäss Prognosen bringt der Klimawandel insgesamt nicht mehr Niederschläge, sondern vor allem eine ungleichmässige Verteilung. Wird bei Starkniederschlägen mehr Regenwasser abgeleitet, fehlen diese Mengen im lokalen Wasserkreislauf.

Bei der Bewirtschaftung des Abwassers sind die Gemeindebetriebe Muri in verschiedenen Bereichen vorbildlich unterwegs. Bereits 50% der Abwasserleitungen sind saniert. Dies verhindert das Eindringen von Fremdwasser, welches die Abflusskapazitäten zusätzlich belastet. Vor kurzem wurde ein Pilotprojekt zu Schwammstadt-Massnahmen lanciert. Dabei werden im Quartier Melchenbühl konkrete Lösungen getestet, wie bei starkem Niederschlag ein Teil der Wassermenge vor Ort zurückbehalten und versickert, verdunstet oder zeitlich verzögert ins Abwassersystem abgegeben werden kann.

Die Gemeinde begrüsst jedoch ausdrücklich eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der Wasser- und Abwassersysteme. «Angesichts des Klimawandels ist unser Umgang mit Wasser und Abwasser nicht mehr nur eine technische, sondern zunehmend auch eine gesellschaftliche Frage», ist Gemeinderätin Gabriele Siegenthaler Muinde überzeugt. Deshalb sind die Gemeindebetriebe bei der laufenden Überarbeitung der Generellen Entwässerungsplanung neue Wege gegangen. Die Überarbeitung wurde nicht, wie üblich, im stillen Kämmerlein von Fachexperten gemacht. An zwei öffentlichen Veranstaltungen konnte sich die interessierte Öffentlichkeit ein Bild von den Fragestellungen und Lösungsansätzen machen sowie Anliegen und Anregungen einbringen.

Als Aktionärin der ara region bern ag und Mitglied der Gruppe Regionale Siedlungsentwässerung engagieren sich die Gemeindebetriebe Muri auch über die Gemeinde hinaus. «Gute Lösungen für die Zukunft müssen wir angesichts der hohen Komplexität des Themas vermehrt gemeinsam finden und realisieren», so das Credo von Roland Spälti, Leiter Netze der Gemeindebetriebe Muri und Mitglied der Gruppe Regionale Siedlungsentwässerung.

Mischwasserentlastungen sind in vielen Gemeinden unvermeidbar – auf Basis des Standes der Technik werden sie minimiert.

Starkregenereignisse können trotz langjährigen Anstrengungen im Gewässerschutz kurzfristig zu Mischwasserentlastungen ins Gewässer und damit zu qualitativen Problemen führen.

«Gewässer und Lebensräume erholen sich aber rasch wieder. Die meisten Mischwasserentlastungen sind aus Gewässerschutzsicht kein dringliches Problem», erklärt Stefan Hasler, Direktor des Verbandes Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute VSA. Die Problematik ist den Fachleuten seit vielen Jahrzehnten bekannt. Massnahmen wie die Umsetzung des Schwammstadtprinzips und die regionale Optimierung des Entwässerungssystems werden die Situation mittelfristig weiter verbessern.

Weiterführende Informationen:

  • https://vsa.ch/mischwasserentlastung
  • Kontaktperson VSA: Stefan Hasler, stefan.hasler@vsa.ch, 043 343 70 72

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